Verfolgung von Verkehrsordnungswidrigkeiten

Sind jedermann/-frau täglich erkennbare Verkehrsverstöße von Radfahrenden milder bis gar nicht zu verfolgen, also das Gehwegradeln, enges Vorbeifahren, rote Ampel oder Fußgängerzonen missachten? Während dagegen z.B. in Ludwigsburg jeden Tag zig Damen und Herren des städtischen Vollzugsdienstes unterwegs sind, um allein meist ungefährliches Falschparken zu ahnden und, ja mit großem technischen Aufwand, tagtäglich Geschwindigkeitskontrollen auch an ungefährlichen Örtlichkeiten vorgenommen werden. Fußgänger begrüßen den Einsatz beim Falschparken wegen eventueller Geh- und Sichtbehinderung, eine sichere Fahrbahnüberquerung ist nur bei erlaubter Geschwindigkeit möglich.  Aber ebenso fühlen sich Fußgänger gestört und gefährdet, wenn sich Radelnde nicht an die Verkehrsvorschriften halten und deshalb müssen auch hier regelmäßige Kontrollen durchgeführt werden. Wir haben aktuell diese Problematik thematisiert, um diese unverständliche Zurückhaltung, übrigens auch hier in Remseck, aufzuklären. Eine abschließende Stellungnahme steht noch aus.

Verwiesen wird dabei zuerst immer auf das Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) und § 47 Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten (1) Die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten liegt im pflichtgemäßen Ermessen der Verfolgungsbehörde. Dies wird als Opportunitätsprinzip bezeichnet und beschreibt das Handeln einer Ordnungsbehörde im Falle einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung. Die Ordnungsbehörde kann, muss aber nicht eingreifen. Hier gilt also der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Ausübungsfreiheit geht weit, ist aber natürlich nicht frei und insbesondere an Willkürverbot und Gleichheitssatz gekoppelt.

Und weiter zu diesem Opportunitätsprinzip bei Verkehrsordnungswidrigkeiten: „Nach pflichtgemäßem Ermessen” bedeutet, dass die Beamten nicht einfach aus einer Laune heraus entscheiden dürfen, ob sie einen Verstoß ahnden oder nicht. Stattdessen müssen die individuellen Umstände der jeweiligen Situation berücksichtigt und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt werden. Zudem gelten ein Willkürverbot und der Gleichheitssatz. https://www.bussgeldkatalog.org/opportunitaetsprinzip/ . Aus dem Willkürverbot und dem Gleichheitsgrundsatz ergibt sich zusätzlich, dass eine Verkehrsbehörde nicht einzelne Verkehrsarten (z.B. nur Kraftfahrtverkehr) und einzelnes verkehrswidriges Verhalten in Anwendung dieser Grundsätze bevorzugt überwachen und sanktionieren darf, weder aus persönlichen noch aus sachfremden Erwägungen. Wie z.B. Geschwindigkeitsüberwachungen  ohne sicherheitsrelevanten Anlässe oder Parkverstöße, ohne sicherheitsrelevanten Bezug, wie es in Ludwigsburg, und gerne überall, tagtäglich gehandhabt wird. Aber die tagtäglichen, z. T. schweren Verstöße (Rotlichtfahren) von Radelnde, durch Statistiken hinlänglich belegt, und oft zu Lasten des Fußverkehrs, in Verkennung der Dienstpflicht, aber schlichtweg ignoriert!

Zur gleichen Einschätzung der Rechtslage kommt auch ein Erlass des Verkehrsministeriums BW von 11.5.2020, in dem es u.a. heißt: „Indem der Gesetzgeber einen Bußgeldtatbestand setzt, missbilligt er das beschriebene Verhalten und verlangt als normative Regel grundsätzlich die Ahndung. Auch im Ordnungswidrigkeitenrecht gilt trotz des Opportunitätsprinzips der Grundsatz, dass gesetzwidrige Taten im Regelfall zu verfolgen sind. Daher bedarf auch nicht das Eingreifen des Amtsträgers einer Begründung, sondern die Nicht-Ahndung braucht als Ausnahme eines zusätzlichen Kriteriums, welches zu dokumentieren ist (Karlsruher Kommentar, 5. Aufl., OWiG-Mitsch, Einleitung Rn. 155, 156). Pauschale Vorgaben, bestimmte Ordnungswidrigkeiten (zum Beispiel das Gehwegparken, das auch für Motorräder untersagt ist) nicht zu verfolgen, oder Verkehrsdelikte in bestimmten Gebieten oder auf bestimmten Straßenabschnitte nicht zu ahnden, haben einen Ermessensausfall und damit die Rechtswidrigkeit der Entscheidung zur Folge und stehen mit den Pflichten der Verfolgungsbehörden nicht im Einklang“.

Hier ist auch besonders die prägnante Formulierung im StVO-Kommentar Schurig  zu 2.3 Bußgeldbehörde anzuführen, hier heißt es zum „Opportunitätsprinzip“: Hieraus folgt, dass die Polizei (Bußgeldbehörde) auch einmal „ein Auge zudrücken“ darf. Da beide Augen nur der „Leichenbestatter“ zudrücken darf, muss das Opportunitätsprinz aus Gründen der Gleichbehandlung aller Verkehrsteilnehmer und damit der Vorhersehbarkeit und Berechenbarkeit staatlichen Handelns auf begründbare Einzelfälle beschränkt bleiben (BayObLG VerkMitt 2019 Nr. 57. Wir haben auch hier in Remseck angemahnt, dass der Vollzugsdienst auch verkehrswidriges Verhalten von Radfahrenden ggü. Fußgänger rügt und sanktioniert, wir sind der Überzeugung, dass dies das bessere Mittel zum Zweck wäre, als wohlfeile Sprüche, nämlich: Für mehr Sicherheit im Verkehr!

Dann ein Veranstaltungshinweis: Der 1. Mobilitätstag „REMSECK ist MOBIL“ findet am Freitag, den 27. Mai 2022 zwischen 15:00 Uhr und 19:00 Uhr statt. Wenn alles klappt sind wir auch dabei, mit einem Verkehrsquiz mit tollen Preisen, mit „Käsfüßen“ zu knuspern, mit einem FUSS-Kummerkasten, einem Wanderkarten und –bücherflohmarkt und vielen weiteren Infos zum FUSS e.V., zum Spazieren und Wandern in Stadt und Land. Wir freuen uns, wenn Sie unseren Infostand besuchen; für alle Fragen rund um das Zu-Fuß-Gehen stehen wir gerne bereit!