Gemeinsame Fuß-/Radwege - Rechtsgrundlagen

Unter welchen Voraussetzungen kann das Radfahren auf Gehwegen zugelassen werden?

„Fahrzeuge müssen die Fahrbahn benutzen“ (StVO, §2 (1)) und Fahrräder sind Fahrzeuge. „(5) Kinder bis zum vollendeten achten Lebensjahr müssen, Kinder bis zum vollendeten zehnten Lebensjahr dürfen mit Fahrrädern Gehwege benutzen. Ist ein baulich von der Fahrbahn getrennter Radweg vorhanden, so dürfen abweichend von Satz 1 Kinder bis zum vollendeten achten Lebensjahr auch diesen Radweg benutzen. Soweit ein Kind bis zum vollendeten achten Lebensjahr von einer geeigneten Aufsichtsperson begleitet wird, darf diese Aufsichtsperson für die Dauer der Begleitung den Gehweg ebenfalls mit dem Fahrrad benutzen; eine Aufsichtsperson ist insbesondere geeignet, wenn diese mindestens 16 Jahre alt ist. Auf zu Fuß Gehende ist besondere Rücksicht zu nehmen. Der Fußgängerverkehr darf weder gefährdet noch behindert werden. Soweit erforderlich, muss die Geschwindigkeit an den Fußgängerverkehr angepasst werden. Vor dem Überqueren einer Fahrbahn müssen die Kinder und die diese begleitende Aufsichtsperson absteigen (StVO, § 2 Absatz 5). 

Wenn die Verkehrsbehörde vom Grundsatz § 2 StVO abgehen will, der eindeutig das Radfahren auf die Fahrbahn verweist, sind folgende Punkte im Rahmen eines umfangreichen Prozessablaufs zu checken:

1.    Jede Art der Zulassung des Radverkehrs außerhalb des Grundsatzes nach § 2 StVO, Fahren auf der Fahrbahn, ist nur dort anzuordnen, wo dies aufgrund der besonderen Umstände erforderlich ist. Und nur wenn wegen der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der durch die StVO geschützten Rechtsgüter erheblich übersteigt. (§ 45 Abs. 9 Satz 2 StVO und z. B. BVERWG – Urteil, 3 C 42.09 vom 18.11.2010, Auch deshalb müssen nach der Rechtsprechung die Ausnahmen gegenüber der Fahrbahnbenutzung aber qualifizierten Gefahrenlagen vorbehalten sein, Schurig Kommentar zur StVO und VwV-StVO 17. Aufl. S. 76 . Dabei ist auch die neue Abstandsregel für Rad angemessen zu berücksichtigen, 1,50m bzw. 2,00 m, die eine mögliche Gefahrenlage deutlich entspannt!

2.    Liegt aber diese qualifizierte, übererhebliche Gefahrenlage nach sorgfältiger Prüfung unter Berücksichtigung auch von Unfallzahlen des Radverkehrs nach Ziff. 1 vor, z.B. an einer vielbefahrenen Hauptstraße, ist der Radverkehr auf verkehrsarme Nebenstraßen zu verweisen (grün-weiße Beschilderung), auf Fahrradstraßen oder Fahrradzonen. Dabei ist ein angemessener Umweg aus der Gesamtbetrachtung heraus und angesichts der Alternativen unstrittig auch zumutbar.

3.    Wird Ziff. 2 nach sorgfältiger Prüfung verworfen, da keine zumutbaren Ausweichrouten auf verkehrsarmen Straßen, keine Fahrradstraßen, keine Fahrradzonen als Alternativen zur Verfügung stehen, dann ist ein verpflichtender Radweg Z237 als weitere, aber Steuermittel-teure Anordnung zu prüfen.

4.    Scheidet Ziff. 3 aus Platz- oder Finanzgründen aus, dann sind Radstreifen und, alternativ, Radschutz-streifen zu prüfen. „Ist ein Radfahrstreifen nicht zu verwirklichen, kann auf der Fahrbahn ein Schutzstreifen angelegt werden …“ (VwV-StVO Nr. 11).

5.    Scheidet nach sorgfältiger Prüfung auch Ziff. 4 aus, kann ein Gemeinsamer Fuß-/Radweg Z241 getrennt, (als 2. Wahl Z240 wegen größerer Beeinträchtigung des Fußverkehrs), als unbedingte Ausnahme (s.u.) angeordnet werden. Voraussetzung ist innerorts allerdings, dass eine (1.) Ausnahme nach ERA vorliegen muss (denn Grundsatz ist: innerorts nicht!) und wenn innerorts/außerorts die Mindestbreiten von 2,50/2,00 durchgehend vorliegen. (2.) Ausnahme VwV-StVO Nr. 22: „Ausnahmsweise und nach sorgfältiger Überprüfung kann von den Mindestmaßen dann, wenn es aufgrund der örtlichen oder verkehrlichen Verhältnisse erforderlich und verhältnismäßig ist, an kurzen Abschnitten (z. B. kurze Engstelle) unter Wahrung der Verkehrssicherheit abgewichen werden“

6.    Scheidet nach sorgfältiger Prüfung auch Ziff. 5 an den zwingenden Vorgaben aus, dann müssen straßenbaurechtliche Maßnahmen angedacht werden, die diese behauptet übererhebliche Gefahrenlage entschärfen können.

7.    Denn die schlechteste Alternative für Gemeinsamen Fuß-/Radwege mit der höchsten Beeinträchtigung des Fußverkehrs, also Z239 mit Zusatz „Rad frei“  (VwV-StVO Nr. 11) und deshalb auch mit den umfangreichsten Pflichten für den Radverkehr (>>>auf den Fußgängerverkehr Rücksicht nehmen, der Fußgängerverkehr darf weder gefährdet noch behindert werden, wenn nötig, muss der Fahrverkehr warten; er darf nur mit Schrittgeschwindigkeit fahren) scheidet ja dann auch wegen mangelnder Mindestbreiten (Ziff. 5) aus. Auch wäre bei dieser nicht verpflichtenden Anordnung ja ein Teil des Radverkehrs auf der Fahrbahn erlaubt, der qualifizierten, übererheblichen Gefahrenlage wäre damit also fehlerhaft nicht für alle Radelnden abgeholfen.

8.    Die in Anspruch genommenen Ausnahmetatbestände bei Verkehrsanordnungen gegenüber diesen genannten Grundsätzen und Vorgaben sind nach dem Allgemeinen Verwaltungsrecht schlüssig zu begründen und schriftlich zu dokumentieren, da das dann pflichtgemäße Ermessen gerichtlich nachprüfbar sein muss. Die Entscheidungen dürfen aber weder von persönlichen Auffassungen („z.B. ideologisch, gar parteipolitisch“) noch von sachfremden Erwägungen („weil Radfahren als Hobby des Entscheiders, gar RadLobbyist“) getragen werden. Sie sind unter Beachtung der Grundsätze des Vertrauensschutzes der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit zu treffen (Folge aus Art. 20 abs. 3 GG, wonach die Verwaltung an Gesetz und Recht gebunden ist) so (Schurig S.768/769 mit weiteren Ausführungen).

Zusätzliche Rechtsnormen gibt es für Radfahren in Fußgängerzonen, in Parks, in freier Natur, also in Wald und Flur. Diese Tatbestände werden in Kürze ausführlich behandelt.

Fazit: Wenn Z240 oder 241 oder gar Z239 und Zusatz „Rad“ angeordnet ist, die zwingenden obengenannten Voraussetzungen, z.B.  schon Mindestbreiten, kurze Abschnitte usw. (s.o.) oder Alternativen (s.o.) aber nicht vorliegen, dann sollte die Verkehrsbehörde aufgefordert werden, die Gründe für diese Ausnahmeanordnungen offenzulegen. Denn diese Ausnahmegründe müssen,  nachvollziehbar geprüft sein, schriftlich dokumentiert werden und dadurch gerichtlich nachprüfbar sein. Das Recht zur Einsicht in diese Unterlagen ist ein Bürger-Grundrecht und ergibt sich aus Artikel 17 GG (1): Jedermann hat das Recht, sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen schriftlich mit Bitten oder Beschwerden an die zuständigen Stellen und an die Volksvertretung zu wenden.

Und tatsächlich man sollte sich nicht scheuen, wenn Abhilfe dieser schon Zig-tausendfach, zumindest vorab rechtsbedenklichen, Verkehrsanordnungen verweigert wird, weitergehende Bürgerrechte wie Dienstaufsichts- und Rechtsaufsichtsbeschwerde, Petitionen im Landtag in Anspruch zu nehmen. Im frühen Stadium ist manchmal auch das Gewinnen der Öffentlichkeit, durch Aktionen vor Ort, aber auch durch Presseartikel, erfolgversprechend, wenn die Verkehrsbehörden sich nicht bewegen wollen. Wobei die meisten Radelnden es sowieso als belastend finden, zwischen Fußgängern „rum zu gurken“, auf unkalkulierbares Verhalten von Kindern und Hunden zu reagieren, nicht richtig vorwärts zu kommen  und sich auch noch, manchmal ja zu Recht, Beschimpfungen der Fußgänger anhören zu müssen. 

Und wenn dann immer noch nötig: Schlussendlich die unrichtige Verkehrsanordnung im Rahmen eines Verwaltungsgerichtsverfahren klären zu lassen.

Eine umfangreiche CheckListe und ein Ablaufschema für die Prüf- und Abwägungspflichten von Verkehrsbehörden als Voraussetzung zum Einrichten von Gemeinsamen Fuß- und Radwegen ist unter https://www.remseck-zu-fuss.de/rechtsgrundlagen eingestellt.

 

© 22.3.2021/PJGauß, Remseck